Exkurs - ein ganz normaler Tag als Teamleiter

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5.00 Uhr morgens:

Der Wecker klingelt. Die Nacht war mal wieder viel zu kurz. Und immer diese Wechselschicht. Ich bin noch total müde, muss aber aufstehen um pünktlich zum Dienst erscheinen zu können. Auch heute wird mir wieder ein harter Arbeitstag bevorstehen - aber ich muss frisch, ausgeschlafen und ausgeglichen wie immer wirken.

7.00 Uhr morgens:

Nach einer Fahrstrecke von über 50 km habe ich meine Arbeitstätte erreicht und kann den Dienst aufnehmen. Erst einmal den PC einschalten - das Zentrum meiner täglichen Arbeit. Aber noch bevor ich startbereit bin stehen die ersten Mitarbeiter bei mir. Karl kann aufgrund eines Systemfehlers sein System nicht starten, Karla hat einen kurzfristigen Termin und will früher nach Hause. Von Karl notiere ich mir Platznummer und Problem. Karla bitte ich sich wieder später bei mir zu melden. Der PC ist nun endlich hochgefahren und ich buche mich erst einmal als "anwesend" ein und stelle fest, dass mittlerweile schon 10 Minuten vergangen sind, die ich meiner Firma mal wieder schenke. Erst einmal will ich das Problem von Karl der IT-Abteilung melden - das geht ja schnell und Karl kann so nicht arbeiten. Ich starte Outlook und finde direkt 50 ungelesene Mails in meinem Postfach - aber erst einmal die Mail an die IT. Danach geht's (mit dauernden Unterbrechungen ans Email lesen).

 

9.00 Uhr morgens:

Endlich - die Emails sind gelesen und ggf. bearbeitet. Im Teamranking haben wir mal wieder nur mittelmäßig abgeschlossen und die Qualitätssicherung hat meinem Team den ein oder anderen Fehler moniert. Qualität und Produktivität müssen gesteigert werden. Aber erst einmal eine Tasse Kaffee. Die meisten die ich kenne, die starten ihre Arbeit ohne Kaffee überhaupt nicht - und ich muss mir nach 2 Stunden die Zeit regelrecht erkämpfen mal kurz zum Kaffeeautomaten zu gehen. Zurück an meinem Arbeitsplatz schaue ich mir noch einmal die Kennzahlen vom gestrigen Tag intensiver an. Danach öffne ich mir meine selbstgebastelte Excel-Datei und trage die Ergebnisse ein. So kann ich auch den Verlauf und die Tendenz überprüfen. Keine Entwicklung ist zu erkennen - und wir sind vom Ziel immer noch weit entfernt. Schnell greife ich zu Block und Stift und mache mir Notizen für eine Teambesprechung. Danach schicke ich eine Rundmail an mein Team und setze das Gespräch für 12.30 Uhr an - direkt nach der Mittagspause. Eine gute Zeit - denn da ist eh niemand so wirklich bei 100% Arbeitsleistung. Ach ja - Karla will ja noch früher frei und sie steht erneut vor mir. Noch einmal wegschicken will ich sie nicht. Ich lehne ungerne Wünsche ab - aber meine Teamzahlen stimmen nicht. Immer wieder dieser Konflikt zwischen Teamerreichung und Menschlichkeit. Ich hasse diesen Konflikt. Karla hat auch einen wichtigen Termin - sie muss zu einem Facharzt. Ok - Gesundheit geht vor - ich genehmige ihr früher freizugeben. Und schon bahnt sich der nächste Konflikt an. Svenja kommt zu mir und moniert eine ungerechte Behandlung - sie durfte gestern schließlich nicht früher nach Hause. Schließlich mache ich Svenja den Unterschied zwischen Arzttermin und Freibad klar... ich hoffe sie versteht es. Begeistert ist sie jedenfalls nicht. Und demotivierte Mitarbeiter kann ich gerade auch nicht gebrauchen. Aber man muss auch mal Nein sagen. Ich denke jetzt erst einmal wieder an meine Vorbild Funktion und arbeite selbst im Projekt etwas im operativen Geschäft mit. Schließlich sollen meine Teammitglieder sehen um was es geht und ich brauche auch die nötige fachliche Kompetenz um die Mitarbeiter durch Coachings unterstüzten zu können.

 

12.00 Uhr mittag:

Eigentlich würde ich jetzt gerne in die Mittagspause. Doch mein Abteilungsleiter bittet mich zum Gespräch. Er erklärt mir, dass er mit meinem Team nicht zufrieden ist (was für eine Überraschung denke ich mir). Er verlangt von mir, dass ich ihm Maßnahmen, wie ich gegen die schlechten Ergebnisse gegensteuern will, nenne. Teambesprechung, Coachings, Flipcharts (mit den häufigsten Fehlern) hören sich immer gut an. Er akzeptiert auch diese Maßnahmen. Irgendwie nenne ich immer diese Maßnahmen und irgendwie werden sie immer akzeptiert. Das liegt vielleicht auch daran, dass sie in der Regel Wirkung zeigen, wenn man sie engagiert umsetzt. Jetzt haben wir schon fast halb eins und ich muss zur Teambesprechung. Die Mittagspause kann ich mal wieder vergessen. Und Mist. Ich muss noch den geplanten Raum organisieren bzw. den Schlüssel hierzu. Gott sei Dank ist die Sekretärin da und der Raum noch frei. Schon wieder habe ich vergessen einen Raum für meine Besprechung zu bloggen - da sollte ich mal dran denken. Muss mir irgendwo mal eine Erinnerung platzieren.

 

12.30 Uhr mittag:

Die Teambesprechung beginnt. Nachdem ich Regeln gennant habe (z. B. Handy aus, Handzeichen bei Wortmeldung) ziehe ich meine heutige Agenda durch. Ich darf mir eine Reihe von Ausreden anhören, warum die Ergebnisse so schlecht sind - bzw. ich höre immer nur warum es nicht funktioniert. Würde mal gerne Vorschläge hören, wie es funktioniert. Letztendlich sind wir aber doch zu einigen Ergebnissen gekommen. Zuerst fokusieren wir das Thema Qualität. Ich werde verstärkt coachen, das Fachtraining hinzuziehen und Visualisierungen über die häufigsten Fehlerursachen erstellen. Jeder Geschäftsfall wird im 4-Augen-Prinzip bearbeitet (freue ich mich schon morgen auf meinem Termin mit dem Abteiler bzgl. Produktivität).

 

13.00 Uhr mittag:

Ich beginne meine Coachings und führe anschließend ein Feedbackgespräch. Der Mitarbeiter den ich heute gecoached habe war richtig gut; was aber gar nicht gut ist für das Feedbackgespräch. Ich kann nichts kritisieren. Und es handelt sich um einem Mitarbeiter dem immer so schnell Flügel wachsen und bei den anderen angibt. Aber wenn er alles richtig gemacht hat, dann hat er alles richtig gemacht. Ich komme aus dem Feedbackgespräch zurück und direkt ist wieder Action im Laden. Melanie und Susanne streiten heftig und gehen sich fast an den Kragen. Ich greife mir beide und schleppe sie in einen separaten Raum. Erst einmal darf jeder die Situation aus seiner Sicht schildern ohne das er von irgendjemand unterbrochen wird. Danach moderiere ich zwischen beiden und versuche eine Lösung zu erarbeiten. Danach lasse ich die Mitarbeiter noch 10 Minuten alleine reden um sich auszusprechen. Die Aktion scheine ich erfolgreich gemeistert zu haben. Es bewirkt manchmal Wunder, wenn sich jeder mal auskotzen kann, was einem an dem anderen stört.

 

15.00 Uhr mittag:

Eigentlich wäre jetzt Feierabend. Aber nicht für mich. Ich wurde in den letzten Tagen und Wochen immer wieder über den starken Körpergeruch eines Mitarbeiters aufmerksam gemacht. Wir arbeiten in einem Großraumbüro und so geht das echt nicht. Ich greife mir den Mitarbeiter zu einem persönlichen Gespräch und rede mit ihm über diese Problematik. Ich hasse das. Der Mitarbeiter berichtet mir von massiven privaten Problemem, die echt heftig sind. Ist natürlich kein Grund zu stinken. Aber dennoch - das was der Mitarbeiter mir geschildert hat, kann nicht einfach so im Raum stehen bleiben. Der Mitarbeiter will darüber reden und benötigt Hilfe. Ich bin aber kein Psychologe und darf als Vorgesetzter auch keiner spielen. Ich suche ihm Kontakte, die bei solchen Problemen helfen können und gebe sie dem Mitarbeiter.

 

16.30 Uhr mittag:

Ich will endlich Feierabend machen. Aber schon wieder ruft der Abteiler. Ich werde darauf Aufmerksam gemacht, dass Teamleiter Schill ausgefallen ist und ich ab sofort die Vertretung übernehmen muss. Für mich heißt das erst einmal ein erneuter Schichtwechsel - gut das man als Teamleiter kein Privatleben hat. Außerdem werde ich darauf Aufmerksam gemacht, dass ich morgen dringend ein Trennungsgespräch mit Herrn Müller durchführen muss, da Herr Müller wiederholt unentschuldigt vom Dienst fern geblieben ist. Da Herr Müller über eine Leih- und Zeitarbeitsfirma bei uns arbeitet sei dies' auch kein großes Problem. Naja, für meinen Abteiler vielleicht nicht - ich muss ja das Trennungsgespräch führen und ich kenne Herr Müller auch noch als ausschließlich sehr sympathischen Menschen. Da muss ich mir heute abend mal noch etwas Gedanken darüber machen, wie ich das morgen angehe. Für heute mache ich jetzt aber erst einmal Feierabend - morgen wird mal wieder hart genug... Teamvertertung, Trennungsgespräch und schlechtes Teamranking des eigenen Teams... gute Voraussetzung für viel Stress. Und im Großraumbüro siehts auch mal wieder nicht so toll aus - Kaffeflecken, vergammeltes Essen im Kühlschrank - hierum muss ich mich auch mal wieder unbedingt kümmern... aber nicht jetzt - ab nach Hause - es reicht echt für heute.